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Ego, Respekt & Demut


(@julian)
Mitglied Admin
Beigetreten: Vor 2 Jahren
Beiträge: 4664
Themenstarter  

Hallo allerseits,

in den letzten zwei Wochen habe ich ja so einiges reflektiert. Und soweit ich an Punkte gekommen bin, an denen mir etwas sehr klar geworden ist, möchte ich das gerne auch kommunizieren. Es hat sich nämlich immer wieder herauskristalisiert, daß die Teilnehmer bzw. die Begegnung von uns mit den Teilnehmern für mich und für meine Seminare eine der mir wichtigsten Sachen ist.

Es gab immer wieder Trainer, die an bestimmten STellen zu mir kamen mit der Anweisung (nicht mit der "Bitte" sondern wirklich mit der "Forderung"), ein bestimmter Teilnehmer dürfte kein Zertifikat bekommen. Reflektierend gab es da dann in der Regel zwei Seiten:

  • Eine fachliche, von der aus es durchaus rechtfertigbar ist, dem Teilnehmer kein Zertifikat zu geben. Es handelte sich meist um Teilnehmer, die in irgendeiner Abwehr gesteckt haben, in Desinteresse oder ähnlichem.
  • Eine menschliche, in der vor allem der Trainer sich "persönlich beleidigt" gefühlt hat und dem Teilnehmer "eine reindrücken" wollte.

Der erste Punkt ist dabei völlig in Ordnung: Wenn ein Teilnehmer nicht fit ist, dann soll er auch kein Zertifikat kriegen. Der zweite Punkt ist es, der mich dabei irritiert. Denn wie war der Umgang damit?

Meist haben die Trainer (es betrifft mehrere und ich reflektiere dabei wirklich mehrere Jahre) mir das ganze als absolut und endgültig dargestellt. Davor gab es einen Konflikt, in dem der Trainer dem Teilnehmer gesagt hatte, was er erwartet, und der Teilnehmer eben nicht so geantwortet hat, wie der Trainer "es wollte". Klar, viel Interpretation von mir, keine Frage.

Wenn ich nun zurückblicke, so gab es doch immer wieder Teilnehmer, die kein Zertifikat bekommen haben.
Schon im ersten Studi-Prac (2007) hat ein Teilnehmer während er in der Gruppe saß ein Buch gelesen und während der Übungen war er nicht mit dabei. Das ging bis zum letzten Practitioner in Much (August 2013), wo eine Teilnehmerin unbedingt bei der Fast Phobia Cure eine Pause machen wollte. Als ich Ihr gesagt habe, daß ich sie nicht zertifizieren werde, wenn sie ein meiner Meinung nach sehr wichtiges Format einfach "auslässt", kam es zum Konflikt und sie ist abgereist.

In allen Fällen jedoch war ich dem Teilnehmer gegenüber sehr offen udn habe STETS angeboten, daß der Teilnehmer das Seminar gerne später nachholen oder vervollständigen kann. Mir ist klar, jeder tut das Beste, was er in dem Moment kann. Und genau das schien mir bei der Forderung "Kein Zertifikat!" von anderen Trainern oft nicht der Fall zu sein. Es war Ressourcenlos. Oft war es nicht einfach eine Konsequenz ähnlich wie "Wenn Du jetzt nicht in´s Bett gehst, dann wirst Du morgen übermüdet sein" sondern es war eher ein Gemisch aus einer Strafe mit einer Forderung: "Ich weiß, was das Beste für Dich ist, und wenn Du das nicht tust dann bestrafe ich Dich, weil ich Dir kein Zertifikat gebe". Das Zertifikat zu versagen ist für mich keinesfalls ein Tabuthema. Es mit einem Ego-Konflikt zu vermischen dagegen ein No-Go für einen Trainer/Teamer.

Es ist eine Respektsfrage und natürlich fällt es mir schwer, einzusehen, daß es Teilnehmer gibt, die meine Weisheiten eben nicht als unbezahlbare Ergüsse ansehen und z.B. lieber das aktuelle Fußballspiel gucken oder vor dem Kamin sitzen. Und als ein Teilnehmer aktuell im Master in Much (2013) ein paar Tage vor Ende abreiste, weil er noch ein anderes Seminar hatte, was Ihm "wichtiger" war, das hat schon an meinem Ego geknabbert. Ein Zertifikat kriegt er natürlich nicht ... wer drei Tage vorher arbreist erwartet das sicherlich auch nicht. Aber andersrum ... daß es an meinem Ego knabbert ist sicherlich nicht sein Problem. Ganz im Gegenteil, es ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß ich mich mit meinem Ego weiter auseinandersetzen muß.

Im Kern geht es mir also um das Ego von Trainern. Egal, was kommt: Ob ein Angriff, eine Abwehr, eine Ignoranz, ein "Nicht-Zuhören", ein Schwänzen oder sonstwas. All das sind Hinweise darauf, daß der Teilnehmer nicht über die notwendigen REssourcen verfügt und es ist UNSER JOB, diese Ressourcen aufzubauen. Nicht durch Vorwürfe und die Androhung von Konsequenzen, sondern indem wir überlegen, was er BRAUCHT. Nicht, was WIR brauchen, sondern, was ER braucht. Es geht nicht darum, RECHT zu haben, es geht darum, Ihm das anzubieten, was Ihm mehr Möglichkeiten gibt.

Doch es gibt auch noch den anderen Fall: Ein Teilnehmer, der wie in obigem Beispiel "früher geht". Ein Teilnehmer, der sich für bestimmte Dinge einfach nicht interessiert. Oder ein Teilnehmer, der einen Trainer nicht ernst nimmt. Hier wird es für den Trainer sicherlich noch schwieriger, eine noch größere Herausforderung, denn dieses Recht hat der Teilnehmer. Warum auch nicht? Wenn ich mich davon angegriffen fühle und es dem Teilnehmer gegenüber "auslebe", dann hätte ich Angst, schon kurz vor dem Guru-Status zu sein (in meiner Einbildung) und zu glauben, wenn der Teilnehmer mich ablehnt, dann lehnt er alles ab, was gut ist. Der Teilnehmer MUSS die Möglichkeit haben, einen Trainer, ein Thema, eine Meinung eines Trainers abzulehnen, ohne dadurch Konsequenzen führchten zu müssen. Kann er nicht selbst entscheiden, was er annimmt und was nicht, was ist das dann für ein Seminar? Was ist das dann für eine Freiheit?

Also bleibt nur ein Weg:
ALLE Teilnehmer in ALL Ihren Facetten vollkommen zu Respektieren. Jede Ablehnung, die in mir gegen einen Teilnehmer auftritt, hat mit mir zu tun, nicht mit dem Teilnehmer. Und genau hier gibt es dann doch Ausnahmen, wo ich einen Teilnehmer "abschreibe":

  • Teilnehmer, denen gegenüber ich zu emotional werde, zu stark werte, und wo ich keine Möglichkeit sehe, aus dieser Wertung herauszukommen. Das ist mir bisher zwei Mal passiert, eine Teilnehmerin galt als "Stalkerin, die die Trainer verfolgt" und die andere hatte einfach eine so andere Weltanschauung, daß ich das Gefühl hatte, ein normales Gespräch war gar nicht möglich. In beiden Fällen wäre es unfair, von den Teilnehmern Geld zu nehmen für ein Seminar, wenn ich gleichzeitig keine Möglichkeit sehe, überhaupt Kontakt aufzunehmen zu den Teilnehmern. In beiden Fällen habe ich Anmeldungen abgelehnt.
  • Der andere Fall war ein Teilnehmer, mit dem ich mich über zwei Jahre auseinandergesetzt habe, bis ich mich letztlich dazu entschieden habe, den Fall an die Staatsanwaltschaft und an eine weitere Stelle weiterzugeben. Es ging um Mißbrauch, um körperliche Verletzungen in seinem (privaten und beruflichen) Umfeld und um vieles mehr. Ich habe mir viel Mühe gegeben, Ihm sein Verhalten bewusst zu machen, bis ich letztlich den Eindruck hatte, er nutzt NLP nur, um noch besser manipulieren zu können. Ich habe keinen Weg gesehen, Ihn zu "erreichen" und ich hielt es für richtig, hier andere Menschen über sein Verhalten entscheiden zu lassen. Daher die Meldung an die Staatsanwaltschaft.

Darüber hinaus bin ich für jeden Teilnehmer da, und jeder TEilnehmer ist im Seminar willkommen. Manchmal gilt es, vorher zu gucken, ob es auch wirklich passt. Im Fall von laufenden Therapien, wenn ein Teilnehmer sich eine "Heilung" von dem Seminar versprocht, die an Zauberei grenzt, in solchen Fällen bin ich natürlich nicht dafür, einfach blind eine Anmeldung anzunehmen sondern zu überlegen, ob der Teilnehmer wirklich auch in das Seminar passt und ob das funktionieren kann. Aber ... willkommen ist er dennoch bei uns! Nicht unbedingt in DEM Seminar, zu dem er nun unbedingt will. Aber alleine dadurch,d aß sich jemand meldet, bin ich der Meinung, daß ich auch ind er Verpflichtung stehe, Ihn anzunehmen und Ihm bestmöglich zur Seite zu stehen.

Sobald jemand dann im Seminar ist gibt es keinen anderen Weg mehr, als Ihm das Beste zu geben, was wir Ihm geben können.

So haben auch einige Trainer immer wieder gesagt: "Gerne können wir eine Coach-Ausbildung anbieten, aber keinesfalls eine Trainer-Ausbildung, denn dann erschaffen wir uns ja eigene Konkurrenz.". Für mich zeigt dieser Satz auch deutlich das Ego-Problem im Seminar: Ein Teilnehmer wird gefördert, solange es den eigenen Interessen dient, und sobald es kritisch wird müssen wir eine Bremse drücken, er könnte ja "zu viel ERfolg" haben und uns damit in den Schatten stellen.

Ein Teilnehmer, der uns in den Schatten stellt, ganz egal auf welcher Ebene, ist die größte Auszeichnung, die es für einen Trainer geben kann. Denn WIRKLICH GUT sind nur die Trainer, deren Teilnehmer noch besser sind als sie selbst.

Für mich ist diese Bedingungslose Akzeptanz des Teilnehmers im Seminar einer der wichtigsten Grundpfeiler im Seminar!

Alles Liebe, Julian!


   
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