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Sprache und Menschenbild


(@Anonym)
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Grüße Euch!

Aufgrund eines eigenen Projektes (Traumata) habe ich mich in den letzten Wochen viel im Diskurs mit Psychologen und Psychiatern befunden. Unabhängig davon, dass manche Gespräche und Kommunikationszusammenhänge recht unterhaltsam und auch sehr anregend waren, grummelte es die ganze Zeit in mir. Ich konnte dieses bestimmte Grummeln jedoch zuerst nicht an etwas Konkretem festmachen.

Klar, da war teilweise ein Misstrauen und eine manchmal auch aggressive Distanzschaffung gegenüber der vermuteten „minderqualifizierten“ Kollegin – doch das war nichts Überraschendes und es legte sich eh recht schnell bei denen, die mir wichtig waren und sind. Und da war ein fachlich determinierter akademischer Sprachstil, in den ich mich erst wieder hinein hören und die Spreu (Worthülsen zur Profilierung der eigenen angenommen Kompetenz) vom Weizen trennen musste. Das war es nicht, denn damit konnte und kann ich locker/reflektiert umgehen. Das Grummeln musste einen anderen Grund haben.

Nun, beim Durchlesen einiger schriftlicher Dialoge kam mir dann die Erkenntnis: Da ist so eine inhaltliche Verallgemeinerung in der Sprache, so ein durchgängiger lässiger Gebrauch von angenommenen allgemeingültigen Wahrheiten über den „Menschen an sich“, der mich auf die Palme bringt, dem ich mich aber anscheinend in realen Gesprächen nicht umgehend erwehren kann, da ich ja sonst bei jedem zweiten Satz nachfragend stoppen müsste.

Dieses ständige „Menschen sind so und so“ und jenes „Wir wissen, dass...“ / „Frauen sind... / Männer sind... „ / „Opfer sind... /Täter sind“ ... und, und, und ... das macht mich ungeduldig und grummelnd genervt. Und ich weiß nicht, wie ich damit in einer konkreten Situation wohlwollend und kommunikationsfördernd umgehen soll, ohne permanent nachzuhaken.

Meine Erfahrungen und meine Arbeit mit Menschen lehrten mich nämlich etwas ganz anderes:
Ja, es gibt wiederkehrende Muster und es macht Sinn, sich diese Muster anzuschauen und daraus Erkenntnishinweise zu gewinnen, doch diese widersetzen sich eben der allgemeingültigen Verbindlichkeit allein schon aufgrund der jeweiligen Erhebungsszenarien, die niemals alle Faktoren menschlich individuellem und einzigartigem Seins umfassen und dann in der Auswertung berücksichtigen können.

Die Betonung liegt in meiner Welt dabei auf dem Begriff „Hinweise“. Zum Beispiel, so am Anfang eines Gespräches, in dem noch keine Wegemarkierungen sichtbar sind, das Gegenüber und seine Welt für mich noch keine eigenen, individuellen Konturen haben, da können solche Musterdeutungen hilfreich sein, z.B. für schärfer zeichnende Fragestellungen, für ein vorsichtiges Eintasten in die fremde Landkarte– aber letztendlich schiebe ich das doch dann ganz schnell beiseite, wenn ich mich, eingeladen, ganz in die Welt meines Gegenübers begebe. Dann ist dieser Mensch nämlich mein Führer und ich folge seinen ganz eigenen Wegen und Mustern. Es ist seine Welt und dort weiß er allemal besser Bescheid als ich. Diese individuellen Muster zu erkennen, zu deuten und deren Herkunft und Funktionen, etc. zu beleuchten – dazu kann eine Begleitung sinnvoll sein.

Welches Menschenbild steht eigentlich jeweils hinter dieser Anmaßung von Sprache bei manchen meiner hochausgebildeten Kollegen? Jetzt grummele ich nicht mehr, sondern versuche grübelnd dieser Frage nachzugehen.

Wie kommuniziere ich, bereichernd für alle Beteiligten, mit meinen Gegenüber, wenn diese Frage nicht geklärt ist? Ich kann doch nicht in jedem Gespräch immer wieder zwischendrin auf die Metaebene wechseln. Das nervt doch und einem Gesprächs“fluß“ ist das doch auch nicht sehr förderlich, oder? Oder steh ich einfach nur auf der Leitung? Auf welcher denn und wie mach ich das und wie komm ich wieder runter? :16:

Liebe Grüße und noch angenehme Feiertage :1:

Heidi


   
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