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Das fremde Land


(@julian)
Mitglied Admin
Beigetreten: Vor 2 Jahren
Beiträge: 4664
Themenstarter  

Vor einer ganzen Weile hat mir [user]Kirstin[/user] eine sehr schöne Metapher geschickt. Und nachdem ich eben auf dem Sofa eingeschlafen bin und völlig in den Realitäten verfangen, die anders sind als die andere, wurde mir bewußt, daß ich genau diese Metapher geträumt habe.

Auf der Suche nach etwas, ich weiss nicht mehr genau, was es war, stolperte ich über eine absolut unsichtbare Grenze in ein mir unbekanntes Land. Vorsichtig tastete ich im Grenzgebiet umher - versuchte hier einen behutsamen Schritt - man weiss ja nie - und da einen mutigeren.

Kurz nachdem ich die Grenzgebiete des Königreiches (das es eins war, war mir inzwischen klar.... und zwar ein riesiges, wie ich später noch feststellen sollte) hinter mich gebracht hatte, gelangte ich an einen Landstrich, der zum Teil unter Nebelschwaden verborgen war. Durch den grauen Dunst konnte man einige Strassen sehen.

Hier und da wanderte ich entlang und wunderte mich, warum ich bislang noch keine Menschenseele gesehen hatte. Ab und an blitzte am Himmel mal ein undefinierbarfarbenes, dann ein schwarzes, ein blaues und dann und wann ein grünes Stückchen auf, das sich bewegte. Hm, dacht eich bei mir, komisch, was mag das wohl sein?

Aber als ich noch so grübelte, lag auch schon ein neues Land vor mir, strahlend vor Sonnenschein, so dass ich meine Überlegungen schnell wieder vergass. Lustige kleine Bäche sprudelten hier fröhliche Meldoien. Auf den Bäumen hingegen - ich traute meinen Augen kaum - sassen, tanzten und sprangen viele lebendige Buchstaben. Das stelle man sich mal vor.... Buchstaben auf Bäumen! Es waren kleine, grosse, in- und ausländische, blaue, grüne, rote, weisse. Welche, die im Sonnenlicht blitzten wie Diamanten und einige, die ganz dicht am STamm der Bäume im Dämmerdunkel des tiefen Blätterdickichtes schimmerten wie kleine silbrige Sterne. Aber es gab auch andere Buchstaben - machtvolle und gefährliche, die alles Licht, das auf sie fiel, schluckten, so dass man sie mit blossem Auge kaum wahrnehmen konnte.

Nach einer Beratung mit meinem ständigen Begleiter auf dieser Reise (in der Tat ist er immer bei mir, aber nicht für jeden sichtbar) rief ich den Buchstaben zu: -Hallo ihr da, wer seid ihr und was tut ihr hier auf den Bäumen?

Ein kleiner, vorwitziger, hell leuchtender Buchstabe antwortete: - Kennst Du uns denn nicht? Wie kommmst Du dann hierher? Wer hat dich eingeladen?

-Öööhh, hmm, ups, ja also, das ist so.... ich dachte, ich sehe was am Himmel,... stotterte ich. Und... hrhm, äääh, plötzlich war ich hier, räusperte ich mich verlegen.

-Ach so, dann ist es gut.

Puh, noch mal Glück gehabt, war ich erleichtert. Der kleine Buchstabenjunge 8und er war wirklich noch sehr klein) plauderte vertrauensvoll weiter. Der Herrscher über dieses Königreich sei ein grosser Vogel mit riesigen, mächtige Schwingen. Und magische Kräfte habe er.

Magie? wunderte ich mich. Die gibt es doch schon lange nicht mehr.

Doch, doch, versicherte mir der Kleine, sie nur, dort oben fliegt er! Manchmal ist er ganz bunt, und manchmal sieht man aber auch nur was grünblauschwarzes oder ne andere Farbe, die kenn ich aber nicht, sagte er. Er kann also doch zaubern. Deshalb kann er auch über sooo ein grosses Reich herrschen.

Er schwatzte weiter: -wir Buchstaben feiern grade ein Fest. Sonst leben wir in Worten zusammen auf den Bäumen und passen auf.
Aufpassen? Worauf denn? fragte ich den kleinen Buchstabenwicht
Ach, auf alles eben, wich er aus.

Na, das hörte sich ja spannend an. Da ich von Natur aus an vielem interessiert bin - an dieser Stelle lachte mein ständiger Begleiter und mteinte, neugierig sei ja wohl zutreffender- beschloss ich, noch eine Weile zu bleiben. Also folgte ich der Empfehlung des Buchstabenrates, einfach weiter zu gehen und mich überraschen zu lassen. Toll, dachte ich noch, welche Richtung ist denn "weiter"?

Da es Abend und schon fast dunkel war, lagerte ich für die Nacht am Wegesrand einer Ebene.

Gar merkwürdige Geräusche hörte ich in der Nacht. Mächtiges Rauschen wie von riesigen Bäumen, in denen der Wind Fangen spielt. Aber - wo gab es denn hier Bäume?
Trotzdem schlief ich friedlich ein - mit dem Gefühl, gut beschützt zu werden in diesem aufregend fremden, aber doch manchmal merkwürdig vertrautem Land.

Am nächsten Morgen wurde ich buchstäblich wachgeguckt. Neben mir sass ein grosses Tier mit Federn in den Farben des Regenbogens und noch vielen mehr und beäugte mich. Dann spazierte er um mich herum und siehe... hier und da blitzte unter all der Farbenbracht noch etwas anderes auf.
Schliesslich stiess er mehrere Rufe aus, erhob sich in die Lüfte und kreiste mehrmals über meinen Lagerplatz, bevor er in eine Richtung davonflog. Schade, dachte ich, dass ich damals in der Schule bei den Sprachen so oft gefehlt habe. Ich nahm seine Rufe einfach als Einladung, ihm zu folgen. Er würde mir schon zeigen, wenn ich verschwinden sollte. Und... ich hatte recht.

Der Vogel führte mich quer durch sein Reich. Er flog einige schritte vor mir her, weit oben am Himmel. So manches Mal war er lange zeit nicht sichtbar und häufig folgte er mir, ganz so, als kenne ich mich aus...

Was ich im einzelnen alles auf dieser Reise erlebte, kann ich gar nicht alles erzählen. Wir durchquerten viele viele Länder, bestiegen Berge und druchschritten Täler. Und jedes Land hatte etwas ganz eigenes, was man auch nach der zehnten Reise hindurch immer wieder neu entdecken konnte.

Ein Land bestand zum Beispiel aus sehr vielen Strassen, die man alle nur in einer Richtung begehen durfte. Vielen von ihnen endeten plötzlich, mache - so stellte ich verwundert fest, waren kreisförmit, so dass man nie sicher wusste, wo Anfang und Ende waren. Einige Zeit stand ich dort still und verwirrt. Wie sollte ich hier bloss weiter kommen? Mein ständiger Begleiter lachte mich aus: Bist Du denn blind? Das sind doch Startbahnen, dies hier ist das Reich eines Vogels!
Auch Du kannst hier fliegen...

Nun, nach einiger Zeit der Wanderung bedankte ich mich beim Vogel - was wäre schließlich, wenn er plötzlich verschwunden wäre und ich hätte mich nicht für seine Gastfreundschaft bedankt?
Also rief ich ihm zu und winkte. Vielleicht werde ich noch lange in seinem Reich, das keine Grenzen hat und seine Gäste so freundlich begrüsst, willkommen sein. Viele Wege kannte ich bereits von Anbeginn aller Zeiten, andere waren fremd und neu.

Auch ich besitze mein eigenes Reich voller bekannter und unbekannter Wege in vielen Ländern mit Bergen, Flüssen und Tälern. Es ist immer da und doch weit weit weg.

Was ich da erlebt habe? .... das ist eine andere Geschichte. Und bis dahin wandere ich weiter dort, wo ich willkommen bin.... wo ich gerade bin?

Ist das wichtig?

Liebe Grüsse in die dunkle Nacht.

Kirstin

So endete die Metapher und meine Gedanken fingen immer mehr an, sich zu bewegen. Und sie zu genießen.

Alles Liebe und danke nochmal an [user]Kirstin[/user]


   
Zitat
(@Anonym)
New Member Gast
Beigetreten: Vor 1 Sekunde
Beiträge: 0
 

Hallo Julian,

diese Geschichte hat mir sehr gut gefallen, schön dass du sie hier
herein gestellt hast.
Deinem Dank an Kirstin und deinen guten Wünschen an sie
kann ich mir nur anschliessen!
Thomas

Julian wrote:

Vor einer ganzen Weile hat mir [user]Kirstin[/user] eine sehr schöne Metapher geschickt. Und nachdem ich eben auf dem Sofa eingeschlafen bin und völlig in den Realitäten verfangen, die anders sind als die andere, wurde mir bewußt, daß ich genau diese Metapher geträumt habe.

Auf der Suche nach etwas, ich weiss nicht mehr genau, was es war, stolperte ich über eine absolut unsichtbare Grenze in ein mir unbekanntes Land. Vorsichtig tastete ich im Grenzgebiet umher - versuchte hier einen behutsamen Schritt - man weiss ja nie - und da einen mutigeren.

Kurz nachdem ich die Grenzgebiete des Königreiches (das es eins war, war mir inzwischen klar.... und zwar ein riesiges, wie ich später noch feststellen sollte) hinter mich gebracht hatte, gelangte ich an einen Landstrich, der zum Teil unter Nebelschwaden verborgen war. Durch den grauen Dunst konnte man einige Strassen sehen.

Hier und da wanderte ich entlang und wunderte mich, warum ich bislang noch keine Menschenseele gesehen hatte. Ab und an blitzte am Himmel mal ein undefinierbarfarbenes, dann ein schwarzes, ein blaues und dann und wann ein grünes Stückchen auf, das sich bewegte. Hm, dacht eich bei mir, komisch, was mag das wohl sein?

Aber als ich noch so grübelte, lag auch schon ein neues Land vor mir, strahlend vor Sonnenschein, so dass ich meine Überlegungen schnell wieder vergass. Lustige kleine Bäche sprudelten hier fröhliche Meldoien. Auf den Bäumen hingegen - ich traute meinen Augen kaum - sassen, tanzten und sprangen viele lebendige Buchstaben. Das stelle man sich mal vor.... Buchstaben auf Bäumen! Es waren kleine, grosse, in- und ausländische, blaue, grüne, rote, weisse. Welche, die im Sonnenlicht blitzten wie Diamanten und einige, die ganz dicht am STamm der Bäume im Dämmerdunkel des tiefen Blätterdickichtes schimmerten wie kleine silbrige Sterne. Aber es gab auch andere Buchstaben - machtvolle und gefährliche, die alles Licht, das auf sie fiel, schluckten, so dass man sie mit blossem Auge kaum wahrnehmen konnte.

Nach einer Beratung mit meinem ständigen Begleiter auf dieser Reise (in der Tat ist er immer bei mir, aber nicht für jeden sichtbar) rief ich den Buchstaben zu: -Hallo ihr da, wer seid ihr und was tut ihr hier auf den Bäumen?

Ein kleiner, vorwitziger, hell leuchtender Buchstabe antwortete: - Kennst Du uns denn nicht? Wie kommmst Du dann hierher? Wer hat dich eingeladen?

-Öööhh, hmm, ups, ja also, das ist so.... ich dachte, ich sehe was am Himmel,... stotterte ich. Und... hrhm, äääh, plötzlich war ich hier, räusperte ich mich verlegen.

-Ach so, dann ist es gut.

Puh, noch mal Glück gehabt, war ich erleichtert. Der kleine Buchstabenjunge 8und er war wirklich noch sehr klein) plauderte vertrauensvoll weiter. Der Herrscher über dieses Königreich sei ein grosser Vogel mit riesigen, mächtige Schwingen. Und magische Kräfte habe er.

Magie? wunderte ich mich. Die gibt es doch schon lange nicht mehr.

Doch, doch, versicherte mir der Kleine, sie nur, dort oben fliegt er! Manchmal ist er ganz bunt, und manchmal sieht man aber auch nur was grünblauschwarzes oder ne andere Farbe, die kenn ich aber nicht, sagte er. Er kann also doch zaubern. Deshalb kann er auch über sooo ein grosses Reich herrschen.

Er schwatzte weiter: -wir Buchstaben feiern grade ein Fest. Sonst leben wir in Worten zusammen auf den Bäumen und passen auf.
Aufpassen? Worauf denn? fragte ich den kleinen Buchstabenwicht
Ach, auf alles eben, wich er aus.

Na, das hörte sich ja spannend an. Da ich von Natur aus an vielem interessiert bin - an dieser Stelle lachte mein ständiger Begleiter und mteinte, neugierig sei ja wohl zutreffender- beschloss ich, noch eine Weile zu bleiben. Also folgte ich der Empfehlung des Buchstabenrates, einfach weiter zu gehen und mich überraschen zu lassen. Toll, dachte ich noch, welche Richtung ist denn "weiter"?

Da es Abend und schon fast dunkel war, lagerte ich für die Nacht am Wegesrand einer Ebene.

Gar merkwürdige Geräusche hörte ich in der Nacht. Mächtiges Rauschen wie von riesigen Bäumen, in denen der Wind Fangen spielt. Aber - wo gab es denn hier Bäume?
Trotzdem schlief ich friedlich ein - mit dem Gefühl, gut beschützt zu werden in diesem aufregend fremden, aber doch manchmal merkwürdig vertrautem Land.

Am nächsten Morgen wurde ich buchstäblich wachgeguckt. Neben mir sass ein grosses Tier mit Federn in den Farben des Regenbogens und noch vielen mehr und beäugte mich. Dann spazierte er um mich herum und siehe... hier und da blitzte unter all der Farbenbracht noch etwas anderes auf.
Schliesslich stiess er mehrere Rufe aus, erhob sich in die Lüfte und kreiste mehrmals über meinen Lagerplatz, bevor er in eine Richtung davonflog. Schade, dachte ich, dass ich damals in der Schule bei den Sprachen so oft gefehlt habe. Ich nahm seine Rufe einfach als Einladung, ihm zu folgen. Er würde mir schon zeigen, wenn ich verschwinden sollte. Und... ich hatte recht.

Der Vogel führte mich quer durch sein Reich. Er flog einige schritte vor mir her, weit oben am Himmel. So manches Mal war er lange zeit nicht sichtbar und häufig folgte er mir, ganz so, als kenne ich mich aus...

Was ich im einzelnen alles auf dieser Reise erlebte, kann ich gar nicht alles erzählen. Wir durchquerten viele viele Länder, bestiegen Berge und druchschritten Täler. Und jedes Land hatte etwas ganz eigenes, was man auch nach der zehnten Reise hindurch immer wieder neu entdecken konnte.

Ein Land bestand zum Beispiel aus sehr vielen Strassen, die man alle nur in einer Richtung begehen durfte. Vielen von ihnen endeten plötzlich, mache - so stellte ich verwundert fest, waren kreisförmit, so dass man nie sicher wusste, wo Anfang und Ende waren. Einige Zeit stand ich dort still und verwirrt. Wie sollte ich hier bloss weiter kommen? Mein ständiger Begleiter lachte mich aus: Bist Du denn blind? Das sind doch Startbahnen, dies hier ist das Reich eines Vogels!
Auch Du kannst hier fliegen...

Nun, nach einiger Zeit der Wanderung bedankte ich mich beim Vogel - was wäre schließlich, wenn er plötzlich verschwunden wäre und ich hätte mich nicht für seine Gastfreundschaft bedankt?
Also rief ich ihm zu und winkte. Vielleicht werde ich noch lange in seinem Reich, das keine Grenzen hat und seine Gäste so freundlich begrüsst, willkommen sein. Viele Wege kannte ich bereits von Anbeginn aller Zeiten, andere waren fremd und neu.

Auch ich besitze mein eigenes Reich voller bekannter und unbekannter Wege in vielen Ländern mit Bergen, Flüssen und Tälern. Es ist immer da und doch weit weit weg.

Was ich da erlebt habe? .... das ist eine andere Geschichte. Und bis dahin wandere ich weiter dort, wo ich willkommen bin.... wo ich gerade bin?

Ist das wichtig?

Liebe Grüsse in die dunkle Nacht.

Kirstin

So endete die Metapher und meine Gedanken fingen immer mehr an, sich zu bewegen. Und sie zu genießen.

Alles Liebe und danke nochmal an [user]Kirstin[/user]


   
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