10 Minuten Tagtraum - Die Übung von Vera F. Birkenbihl

10 Minuten Tagtraum – Die Übung von Vera F. Birkenbihl

In unserem alten NLP-Forum bin ich über die Beschreibung einer Übung von Vera F. Birkenbihl gestolpert und nun betrachte ich sie aus der Gegenwart heraus völlig neu. Hier erstmal (exakt zitiert) die Beschreibung aus dem Forum:

kennst du den gezielten tagtraum von vera f. birkenbihl?
damit könntest du rauskriegen, ob du das überhaupt wirklich willst.
eine kleine geschichte dazu?
es gab einen mann der medizin studiert hat und als er damit fertig war, hatte er nicht das gefühl der erfüllung.
nun, er hatte studiert weil es sein vater wollte.
der gezielte tagtraum kann dir da auf die sprünge helfen.
wenn es dir gelingen sollte, mindestens 10 min dir dein ziel auszumalen, gibt es nix in deinem unterbewußtsein " was dagegen spricht".
solltest du allerdings feststellen, das du nach 5 min plötzlich irgendwas anderes zu tun hast, wie abwaschen ect., dann ist es das nicht was du wirklich willst.
ich habe sie selbst ausprobriert und checke damit selber meine ziele.
vera f birkenbihl, die frau kann ich jedem nur empfehlen.

[sic]

Früher habe ich die Übung vor allem als “Training” und “Überprüfung” gesehen. Das Training bestand darin, den Kopf an ein bestimmtes Selbstbild zu gewöhnen (Medizin-Studium) und die Überprüfung besteht darin, ob der Kopf dieses Bild überhaupt längerfristig annimmt. So weit, so gut, das passt auch heute noch.

Probleme sehe ich allerdings in der Schlußfolgerung “solltest du allerdings feststellen, das du nach 5 min plötzlich irgendwas anderes zu tun hast, wie abwaschen ect., dann ist es das nicht was du wirklich willst”, denn der stimme ich überhaupt nicht überein. Natürlich “kann” so so sein, daß das einfach nicht das ist, was Du willst. Doch wo sind die Facetten, wo sind die vielen farbenfrohen Varianten des großen Gefühlswesens namens “Mensch”?

Vera F. Birkenbihl

Nehmen wir das obige Beispiel des Medizinstudiums. Woran kann es liegen, wenn ein Mensch nicht in der Lage ist, sich 10 Minuten vorzustellen, Arzt/Ärztin zu sein?

  1. Ist es eine Loyalitätsfrage? Der Vater war Arzt und das Kind will nicht in Konkurrenz zum Vater treten?
  2. Eine andere Loyalitätsfrage: Der Vater war Arzt und hat diesen Job über die Familie gestellt. Die Mutter litt unter dem Beruf und das Kind verbindet “Arzt” mit “Die Familie vernachlässigen”
  3. Eine Selbstwertfrage: Das Kind hat das Gefühl, niemals so gut werden zu können wie der Vater?
  4. Eine Demutsfrage: Das Kind hat Angst in eine Situation geraten, in der es für Leben und Tod verantwortlich ist?
  5. Eine Traumatisierungsfrage: Das Kind hat selbst schlechte Erfahrungen mit einem Arzt gemacht, was gar nicht so unüblich ist, weil Kinder ja meist dann beim Arzt sind, wenn sie krank sind und sich nicht gut fühlen. (Stichwort: Anker)
  6. Eine Feminismus-Geschichte: Der Vater/Arzt ist in einer Männerdomäne und das Kind ist ein Mädchen, das nicht in die Kampfarena steigen will?
  7. Eine Selbstbestimmungs-Frage: Keiner hat das Kind jemals gefragt, was es wirklich will. Es würde gerne Arzt werden, will das aber selbst entscheiden!

Die Übung von Vera F. Birkenbihl zeigt also einfach nur “ob” es einen Widerstand gibt. Die Interpretation dagegen, daß es “nicht das ist, was Du wirklich willst”, ist zu einfach, zu schnell. Es “kann” natürlich sein, daß es nicht wirklich Dein Ziel ist. Es gibt jedoch auch viele andere Gründe für Widerstände, bei denen es Sinn macht, Ihnen auf den Grund zu gehen und sie ggf. aufzulösen. Denn der Weg zu dem eigenen, wirklich persönlichen Ziel, kann es den überhaupt ohne auch nur einen einzigen Widerstand geben? Dient ein Widerstand nicht auch und gerade zur “Prüfung”, ob Du ein Ziel wirklich erreichen willst?

So gut die Übung “damals” war, aus heutiger Sicht gibt es so viel mehr Facetten zu betrachten. Ich bin froh, und stehe auch heute noch dazu, diese Übung gemocht zu haben. Doch froh bin ich vor allem, daß ich heute über eine damals gute Übung hinauswachsen konnte. Damals wäre ich gar nicht in der Lage gewesen, all diese Facetten zu betrachten, heute ist es selbstverständlich und für diesen Artikel habe ich keine 30 Minuten gebraucht, nachdem ich die Übung gefunden und mit einem melancholischen Lächeln noch einmal durchgelesen habe.

Das Leben ist Entwicklung, und was heute gut ist kann morgen schon überholt sein. Das ist nicht gut oder schlecht in sich, das ist einfach so. Und die Übung von gestern, die heute überholt ist, war gestern dennoch “gut” und “richtig”.

[sc name="prefinery"]

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