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Wer bin ich & wie finde ich das heraus?

Persönlichkeitsentwicklung wörtlich

Sicherlich hast du dir die Frage auch schon oft gestellt. Manchmal ist sie präsenter, manchmal plätschert sie wie ein leises Meeresrauschen im Hintergrund, manchmal trifft sie uns wie ein Schlag: “Wer bin ich eigentlich?” Mit dieser Frage beschäftigt sich die Menschheit seit Anbeginn der Zeit. Heute ist die Frage und die damit verbundene Anschlussfrage “Wie finde ich das heraus?” in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ein Luxus, den sich das gemeine Volk im antiken Griechenland nicht leisten konnte.

Doch genau dort soll unsere Reise beginnen. Der Ursprung des Begriffs Persönlichkeitsentwicklung liegt im antiken griechischen Theater. Dort nutzten Schauspieler*innen typisierte Masken, um ihre Gefühle besser zum Ausdruck zu bringen. Diese Masken nannte man persona. Nehmen wir das Wort Entwicklung dazu und gleichzeitig wörtlich, bedeutet Persönlichkeitsentwicklung: das Ablegen von Masken, die anderen Menschen Gefühle vorspielen, die nicht echt sind. Entwickle ich meine Persönlichkeit, kommt also mehr von dem zum Vorschein, wer ich wirklich bin.

antike griechische Masken (Persona): Weinende = Tragödie; Lachende = Komödie

Erkenne die Masken, die du trägst

Bevor wir die Masken oder Etiketten ablegen, müssen wir erst einmal erkennen, welche Masken oder Etiketten wir überhaupt tragen. Viele dieser Masken tragen wir vielleicht schon so lange, dass wir sie mit unserem “wahren ICH” verwechseln. Dann fällt die Beantwortung der Frage “wer bin ich” leicht und fühlt sich gleichzeitig nicht richtig an. Bestimmt warst du auch schon in Situationen, die du ertragen hast, obwohl du gerade gar nicht da sein wolltest. Situationen, die so unauthentisch, so unecht waren, dass dir fast schlecht geworden ist. Und obwohl dir das klar war, bist du dort geblieben, ohne dein Unbehagen anzusprechen.

Genau in diesen Situationen sind die Anzeichen sehr klar, dass wir gerade eine Maske tragen. Doch wieso sprechen wir unser Unbehagen nicht an? Wieso ziehen wir es vor, nichts zu sagen und machen gute Miene zum bösen Spiel? Für die Beantwortung dieser Frage müssen wir zu den Ursprüngen, zu den Entstehungsmomenten der Masken und Etiketten zurückkehren: unserer Kindheit.

Wer bin ich in der Kindheit

Als Kind stellt sich die “wer bin ich” nicht. Bis Kinder ca. das zweite Lebensjahr erreicht haben, beziehen sie ALLES, was um sie herum passiert, auf sich. Sie unterscheiden nicht zwischen ICH und DU. Alles ist eins. Erst nach dem zweiten Geburtstag ist die neuronale Struktur im präfrontalen Kortex im Gehirn so entwickelt, dass wir von dem Entstehen des “Selbst” sprechen. Auch sprachlich verwendet das Kind in dieser Phase anstatt von sich in der dritten Person zu sprechen (”Anton möchte das Spielzeug”) zur ersten Person: “Ich möchte das Spielzeug.” Das Kind fängt an, die eigenen Grenzen und die Auswirkungen des eigenen Handelns zu erkunden.

Dieses Aufeinandertreffen des Kindes, dass die eigenen Gefühle leben und zum Ausdruck bringen möchte, führt häufig zu einer heftigen Konfrontation mit der Außenwelt. Die direkten Bezugspersonen (sozialisiert, erwachsen, gesellschaftskonform) drücken dem Kind die ersten Stempel auf die Stirn. Und das geschieht meist unbewusst, weil auch hier die jeweiligen Masken und unhinterfragten Etiketten wirken:

  • “Sei brav, lächle immer, dann kriegst du, was du willst.”
  • “Ein kleiner Klapser auf den Hintern hat mir auch nicht geschadet.”
  • “Wenn du nicht leise bist, dann setzt es was.”
  • “Haste nichts, dann biste nichts.”
  • “Ein braves Mädchen lächelt immer und muss gut aussehen.”

Während die ausgesprochenen Glaubenssätze, die Aufschluss darüber geben, welche Vorstellungen Menschen von der Wirklichkeit haben, wirken häufig die unausgesprochenen Interaktionen noch viel stärker:

  • Liebesentzug durch ignorieren
  • Aggressionen und unkontrollierte Wutausbrüche
  • Eigene unterdrückte Gefühle
  • etc.

Die Maske als Lebensretter

Kinder adaptieren das Verhalten ihrer direkten Bezugspersonen, weil sie es müssen. Ein Überlebensinstinkt der schwerwiegende Folgen nach sich zieht. Nehmen wir ein drastisches und gleichzeitig plakatives Beispiel: Schlägt ein Vater sein Kind, wird das Kind alle ihm zur Verfügung stehenden Bemühungen in Gang setzen, eine ähnliche Situation zukünftig zu vermeiden. Es wird also antizipieren, versuchen vorherzusehen, in welcher Situation der Vater das nächste mal zuschlagen könnte. Auf der Basis wird es sein Verhalten so anpassen – alles erdenkliche tun – dieser Gefahr und dem damit verbundenen Schmerz aus dem Weg zu gehen.

Wie finde ich heraus, wie die Maske mich geschützt hat

Dieses Verhalten hat Konsequenzen für die Zukunft des heranwachsenden Kindes. Ist das Kind erwachsen geworden, wirkt das damals notwendige und lebenserhaltende Verhalten limitierend. Die Handlungsmöglichkeiten in der Gegenwart werden auf der Basis der Angst von damals interpretiert. Das wiederum schränkt die Handlungsmöglichkeit und Flexibilität ein.

Erkenne an, dass das Verhalten damals notwendig war!

Heute tragen wir Masken, die damals unser Leben gerettet haben. Das anzuerkennen ist der erste Schritt, der in die Heilung führt. Ein erster Ansatz einer Antwort auf die Frage “wer bin ich.” Wie oft verurteilen wir uns für ein Verhalten, das wir eigentlich nicht wollen? Wie oft geißeln wir uns nachträglich, wenn wir uns anders hätten verhalten wollen? Das Anerkennen befreit total. Das Anerkennen wirkt integrierend. Sofort wirst du merken, dass sich etwas in deinem Körper entspannt, sobald du anerkennst, dass das damals notwendig war.

Gleichzeitig passiert etwas magisches. Indem du anerkennst, dass die Maske damals notwendig war, fällt sie. Das dahinterliegende wird offenbar. Du fühlst das, was bis jetzt im Verborgenen lag. Vielleicht nur für Minuten oder Sekunden, weil dich das darunterliegende Gefühl wiederum mit voller Wucht trifft und die nächste Maske offenbar wird.

Wer bin ich? Die Spirale der Entwicklung

Indem wir unsere Masken wahrnehmen, anerkennen und das darunter liegende fühlen, entwickeln wir uns integrierend. Wir erkennen Fassetten von uns, die wir eigentlich nicht wollen und akzeptieren sie. Dadurch löst sich die Schwere, die damit verbunden war.

Je mehr wir gen Licht streben, je größer wird unser Schatten.

Der Weg des Herausfindens, wer ich eigentlich bin, ist spiralförmig angelegt. Und ob die Spirale nach unten in die Tiefe führt, oder nach oben in den Himmel spielt keine Rolle. Beide Richtungen führen uns in die Integration, in die Selbstannahme und Akzeptanz. Und am Ende bist du, was du bist, wie Goethe Mephistopheles Faust wissen lässt:

Du bist am Ende – was du bist.
Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist.

Johann Wolfgang von Goethe

Malte Niessing von NLP-Deutschland.de

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